Leben und Geschehen der KG Vilkerather Narren
in der Zeit von 1979 bis 1990
Der organisierte Karneval in Vilkerath war inzwischen zur festen Institution geworden. Große und kleine Jecken aus dem
Aggertal konnten vor Ort ausgiebig ihren Fastelovend feiern: es gab die Prunksitzung, den Kaffeeklatsch (nachmittags) und Maskenball (abends) an Weiberfastnacht, die Kindersitzung und die
Galasitzung am Karnevalssamstag bzw. -sonntag. Doch die Vilkerather Narren hatten weiter reichende Pläne. Heute, zurückblickend auf diese Zeit, charakterisiert zweifelsohne ein Zitat des früheren
russischen Präsidenten, Michail Gorbatschow, den Tatendrang und die Energie der Karnevalsgesellschaft Vilkerather Narren: „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“.
Mit dem 1. Januar 1979 wurde nicht nur das jecke 33. Jahr der KG eingeläutet, auch das internationale Jahr des Kindes hatte begonnen. Als Beitrag hierzu stand die Vilkerather Kindersitzung
(übrigens seit 1957 im KG Veranstaltungskalender) unter dem Motto „Vilkerather zeigen Herz für Kinder“. Darüber hinaus hatte die KG in Zusammenarbeit mit der Kolpingfamilie Overath sich
entschlossen, auch den „Pänz“ in Overath und Umgebung die Möglichkeit zu geben, einmal richtig Karneval zu feiern. Am 17. Februar 1979 fand sodann das erste Overather Kinderkarnevalsfest statt.
„Tatort“ war die Aula des Schulzentrums Cyriax. Dass ihre Idee und ihr unermüdlicher Einsatz einen Erfolg verbucht werden konnte, war wenige Tage später einem Pressebericht der Bergischen
Landeszeitung zu entnehmen:
„Pirat und Musketier saßen ganz friedlich nebeneinander, doch jeder hatte eine Hand am Pappschwert, falls es Händel geben sollte. Aber es gab keinen, obwohl die ganze Welt in der Aula des Overather Schulzentrums Cyriax versammelt war: Scheichs aus dem Morgenland, Wanderburschen aus dem Bergischen Land, eine Gesandtschaft von Cowboys von der Shiloh-Ranch, Mexikaner, Indianer, Spanier, Tataren, Chinesen, Leichtmatrosen aus allen Häfen, der „Mann mit der Mütze“, eine Miniature und auch der Typ, der alles und nichts darstellt, auf seinem Hemd aber stehen hatte „Heute bin ich König“. Alle waren sie König auf dem ersten Kinderkarneval in Overath, der von der Kolpingfamilie und den Vilkerather Narren einfallsreich und liebevoll aufgezogen war. Über 600 kleine Jecken aus dem Aggertal fieberten der Ankunft ihres Prinzen entgegen, der sich mit seinem Gefolge in einem Hagelschauer von Kamellen zeigte. Und vor Begeisterung schoss man die Läufe der Schießeisen heiß, dass jede echte Ballerei in einem Westernsaloon nur noch wie ein Flüstern war. Um den Karneval in Overath brauchte er sich keine Sorgen zu machen, meinte Bürgermeister Josef Büscher, bei so einem Nachwuchs. Stimmt!“.
Dass die Durchführung eines
solchen Kinderfestes in „weiter Ferne“ einer guten Organisation und verlässlicher Hände bedurfte, steht außer Frage. Schließlich musste an alles gedacht werden: angefangen vom Transport der
Vilkerather Kinder zum Tatort, der Helfer und Helfershelfer vor Ort, die für Dekoration, Kasse, Platzanweisung sowie Aufsicht zuständig waren, ein Höckerchen für die Bütt, eine Beschallungsanlage
plus meterweise Kabel, ein angemessenes Programm sowie Spiele und karnevalistische Gesänge für die Pänz durften natürlich nicht fehlen, und, und, und ...
Das Engagement für die bergische Kinderschar endete jedoch keineswegs mit dem Ende einer Sitzung. Diejenigen kleinen Jecken, die sich auf der Vilkerather und Overather Bühne mit ihrem Können
profilierten, sollten in irgendeiner Form auch belohnt werden. Für sie wurden in den Sommermonaten Kinderfeste oder Ausflüge, u.a. zum Kölner Hänneschen Theater und den Karl – May - Festspielen
auf Einladung und Kosten der KG organisiert.
Im November 1981, just zu den letzten Vorbereitungen für die Session 1982 und der Organisation für die Vilkerather und Overather Kindersitzung, schlug der staatliche Bazillus Bürokratismus um
sich: zur Durchführung der geplanten Kinderkarnevalsveranstaltungen verlangte das Ordnungsamt Overath von den KG - Verantwortlichen entsprechende Anträge bzw. das Einholen einer
Ausnahmegenehmigung. Die Handhabung seitens der Behörden wurde bis dato sehr unterschiedlich gehandhabt. Im Allgemeinen herrschte jedoch ein „stillschweigendes Ruheabkommen“, da das Gesetz zum
Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit von allen Seiten als überaltert (von 1957) betrachtet wurde. In Overath war man allerdings anderer Meinung. Die Beamten beharrten auf ihre Einhaltung.
Diese schriftlich einzureichenden Ausnahmebewilligungen sollten u.a. enthalten:
Art der Aufführung,
die Art der gestalteten Mitwirkung der Kinder,
Lage und Dauer der Auftrittszeiten,
Namen und Personalien der mitwirkenden Kinder sowie der Betreuungspersonen,
schriftliche Erklärung über das Einverständnis der Erziehungsberechtigten,
eine nicht länger als vor drei Monaten ausgestellte ärztliche Bescheinigungen, nach der gesundheitliche Bedenken nicht
bestehen
sowie bei schulpflichtigen Kindern eine schriftliche Bescheinigung über der Einverständnis der Schule.
Für die KG wäre ein Papierkrieg sondergleichen entfacht worden, der nicht nur in Frage zu stellen, sondern auch in der Kürze der Zeit gar nicht zu bewältigen gewesen wäre.
Der Vorstand, allen voraus Ehrenpräsident Hans Radtschenko, reagierte verärgert und entschlossen. Vor allem aber sah er die bislang konstante, harmonische Jugendarbeit (über 25 Jahre) gefährdet.
„Radtschi“ mobilisierte u.a. die Gemeinde- und Kreisverwaltung, die lokale Presse, Eltern und Kinder sowie den Bund Deutscher Karneval, in dieser Angelegenheit aktiv zu werden. Der BDK wiederum
nahm aus gegebenem Anlass die Chance wahr, alle Bundestagsabgeordnete in den Bezirken der 31 BDK - Regionalverbänden über den Missstand der Ausnahmegenehmigungen zu informieren und forderte
(übrigens zum wiederholten Male) eine Novellierung der gesetzlichen Auflagen.
Dem „Einspruch“ wurde schließlich stattgegeben: seitens der Gemeinde Overath wurde am 27. Januar 1982 eine Ausnahmegenehmigung erteilt, ohne jeglichen Kommentar und Bezug auf die vormals
geforderten Anträge. Wenige Tage später meldete sich das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Köln mit einem mehrseitigen Schreiben und der Erklärung, dass das Jugendarbeitschutzgesetz offensichtlich
keine Anwendung findet, „da ... das einzelne Kind oder der einzelne Jugendliche nicht auf Weisung Dienstleistungen, die Arbeitsleistungen ähnlich sind, erbringt, und ein auf Gewinn ausgerichteter
wirtschaftlicher Nutzen entfällt ...“ und „... dass diese Mitwirkung von Kindern und Jugendlichen nicht vom Geltungsbereich des Jugendarbeitsschutzgesetzes erfasst wird, da es sich nach den
vorliegenden Angaben um einen einmaligen Auftritt handelt, bei dem die Kinder das Erlernte demonstrieren“. Die Aufregung und der Papierkrieg waren umsonst, doch - ging es nur um die Einhaltung
der Bürokratie? War es Unwissenheit oder Wichtigtuerei einiger Beamte?
Die Vilkerather Kindersitzung ist heute eine feste Institution im Ortsgeschehen und kaum mehr wegzudenken. Das Engagement für die Overather Kindersitzung endete allerdings im Jahr 1993, nachdem
bereits Ende 1988 die Overather Kolping Familie sich als Partner aus dem karnevalistischen Geschehen zurückzogen hatte; seitdem versammeln sich die Pänz ausschließlich im Saale Vogel.
Nicht nur die Kinder sollten vor Ort ihren Karneval feiern: auf der Mitgliederversammlung im November 1980 wurde zum ersten Mal über die Einführung einer „Närrischen Altenpartie“ diskutiert.
Ideengeber war der heute amtierende 1. Vorsitzende, Werner Scharrenbroich. Sein Vorschlag, zunächst im Vorstandsgremium belächelt und mit Skepsis betrachtet, fand allerdings in den Reihen der
Mitglieder Zustimmung und unerwartet viele „Freiwillige“, die in einem Ausschuss die Planung und Abwicklung der Veranstaltung organisieren wollten. Wahrliche Begeisterung zeigte Ehrenpräsident
Hans Radtschenko, der noch während der Mitgliederversammlung den Part „(Teil)Finanzierung“ übernahm und mit einem Hut bei seinen Vereinsschwestern und -brüdern sammeln ging. Das Ergebnis seiner
spontanen Sammlung betrug immerhin DM 248,-.
Die erste Vilkerather Seniorensitzung fand am 18. Februar 1981 statt und war auf Anhieb ein Bombenerfolg. „Schon lange vor Beginn des närrischen Altenfestes standen die Interessenten vor dem Saal
M. Vogel Schlange, so dass die KG sogar den Einlas um eine halbe Stunde vorverlegen musste“, stand in der Bergischen Landeszeitung zu lesen.
Die seinerzeit im Ausschuss erarbeitete „Organisation“ des Seniorennachmittages hat bis heute (fast) nichts an Aktualität eingebüßt. Eingestellt wurde allerdings das private „Transportwesen“: in
ihren „Kinderjahren“ organisierten die Mitglieder Fahrgelegenheiten hin und vom Narrenlager der KG, das Altenheim in Marialinden übernahm sogar selbst die Kosten für die An- und Abreise ihrer
Bewohner. Geblieben ist allerdings der Zeitpunkt der Sitzung. Sie findet nach wie vor an einem Mittwochnachmittag statt. Den jung Gebliebenen erwartet zunächst ein Kaffeeklatsch mit Kaffee und
Kuchen, der von den Vereinsdamen liebevoll hergestellt wird (im Eintrittspreis enthalten) sowie ein mehrstündiges buntes Programm, das fast ausschließlich von Spitzenkräften des rheinischen
Karnevals gestaltet wird.
Nichtsdestotrotz bereitet die Zukunft der Seniorensitzung dem heutigen Vorstand etwas Bauchweh: einer leider sinkenden Besucherzahl stehen unvermeidlich hohe und stetig steigende Veranstaltungs-
und Honorarkosten der Karnevalskräfte gegenüber, die über die Eintrittsgelder nicht aufgefangen werden können und sollen. Viele Jahre lang war die Seniorensitzung der KG Vilkerather Narren die
einzige ihrer Art im Aggertal und erfreute sich deshalb sehr großer Beliebtheit über die Ortsgrenzen hinaus. Heute gibt es u.a. (zu) viele Konkurrenzveranstaltungen im Umland. Die Besucherzahl
wird leider bald darüber entscheiden, ob der Närrische Nachmittag in Vilkerath aufrechterhalten werden kann.
Was wäre der Vilkerather Karneval heute ohne seinen Herrenfrühschoppen? Dieser fand erstmalig am 15. Januar 1984 statt, allerdings in völlig anderer Gestaltung. Seinerzeit ging es tatsächlich um
einen Frühschoppen im üblichen Sinne: Schwätzchen halten, diskutieren, ein, zwei oder mehrere Bierchen, Kartenspielen und – Knobeln. Ja, während des Frühschoppens ging es hauptsächlich um das
Knobeln. Becher stellte die KG zur Verfügung. Die „Spielzeit“ wurde aber hin und wieder für musikalische und karnevalistische Einlagen unterbrochen. Sitzplätze bzw. Eintrittskarten gab es zu
jener Zeit verständlicherweise auch nur für eine relativ geringe Anzahl von Herren. Die erste Veranstaltung zählte 88 Anwesende im Saal, und Mundpropaganda sorgte in den Folgejahren für stetig
wachsende Beliebtheit, so dass die Besucherzahl auf 120 „spielende Herren“ begrenzt werden musste.
Irgendwann war das Knobeln während des Frühschoppens aufgrund eines überfüllten Saales nicht mehr möglich. Heute erwartet die Herren eine zünftige Sitzung mit Frühschoppen (und das oftmals bis in
die späten Abendstunden ...). Geblieben ist allerdings das deftige Mittagessen als Stärkung zwischendurch: Grünkohl mit Mettwurst oder Gulasch mit Kartoffel! Und es schmeckt „wie bei
Muttern!“
Viele der Selbstverständlichkeiten im heutigen Vereinsleben der KG Vilkerather Narren wurden in diesem Jahrzehnt ins Leben gerufen, dank des in diesen Jahren amtierenden „närrischen Quintetts“
mit Präsidentin Gisela Hürholz, Präsident Hans Radtschenko, Vizepräsident und Nachfolger von „Radtschi“, Rolf Franke, dem ersten Vorsitzenden Werner Scharrenbroich sowie dem Literaten Lothar
Schönfeld und ihrer vielen verlässlichen, aber hier leider unerwähnten Vereinsschwestern und -brüdern.
Hans Radtschenko starb am 6. Mai 1985 nach langer Krankheit im Alter von 57 Jahren. Neben Verwandten und Freunden waren es besonders die Angehörigen der Karnevalsvereine, die ihm für seinen
selbstlosen Einsatz dankten. Er war in seiner 34jährigen Mitgliedschaft langjähriger Präsident, 2. Vorsitzender, Geschäftsführer und Organisator des Kinderkarnevals, darüber hinaus Träger des BDK
Verdienstorden in Gold. Auch heute noch ist er den Altvätern der KG in sehr guter Erinnerung
Die Karnevalshits der Jahre 1979-1989:
1979 Ich ben ne Räuber
1980 Indianer krieschen nit
1981 Winke, Winke
1982 Dat Hätz vun dr Welt
1983 Dat Wasser vun Kölle
1984 Denn wenn et Trömmelche jeit
1985 Echte Fründe
1986 Heut brennt mein Iglu
1987 Pizza wundaba
1988 Oh de Colonia
1989 Denn mir sin kölsche Mädcher